Das Ableiten von Funktionen (Grundkurs)

Vorbemerkung: Bei der nachfolgenden Zusammenstellung auf mittlerem Grundkursniveau werden nur einfache Funktionen betrachtet, bei denen die Frage nach der Differenzierbarkeit gar nicht gestellt wird. Entsprechend sind die Aussagen der Ableitungsregeln reduziert angegeben. So wird der wesentliche Teil der Regeln, der die Differenzierbarkeitsaussage betrifft (Summe, Produkt, Quotient differenzierbarer Funktionen sind wieder differenzierbar) gar nicht erwähnt. Zielgruppe dieser Anleitung sind Schüler, die vor allem "über die Runden kommen wollen", weniger die an der Mathematik besonders Interessierten.

Das Ableiten von Funktionen stellt eine wichtige Grundtechnik in der Analysis dar. Dabei ist für eine Funktion f die Ableitung f'(c) an einer Stelle c erklärt, wenn der Differenzenquotient (f(c+h) - f(c))/h für betraglich immer kleiner werdendes h einem Grenzwert zustrebt. Geometrisch wird also die Steigung einer Sekante durch den zu betrachtenden Punkt P(c|f(c)) und einen variablen Punkt Ph(c+h | f(c+h)) betrachtet. Die Grenzlage dieser Sekante für betraglich gegen null strebendes h wird als Lage einer Tangente gedeutet. Die Ableitung, der Grenzwert der Sekantensteigung, gibt also die Steigung der im Punkte P an den Graphen angelegten Tangente an.

Definitionsgemäß führt also der folgende Weg zur Bestimmung von f'(c):

  1. Aufstellen des Differenzenquotienten
  2. Vereinfachen des Differenzenquotienten (in der Regel durch Kürzen/Erweitern)
  3. Ermitteln des Grenzwertes für h--> 0.

Beispiel: f(x) = x2 .

  1. Der Differenzenquotien ist ((c+h)2-c2)/h, also (c2 + 2hc + h2 - c2) / h
  2. Zusammenfassen führt zu (2hc + h2) / h, also zu 2c - h.
  3. Wenn h gegen 0 strebt, strebt die Sekantensteigung 2c-h gegen 2c.

Die gesuchte Ableitung f‘(c) hat also den Wert 2c.

Wenn die Funktionsgleichungen nicht mehr so einfach sind, wird die Berechnung und Vereinfachung des Differenzenquotienten zunehmend mühsamer; hinzu kommt, dass sich ähnliche Überlegungen immer wiederholen, so dass man dies vereinfachend in Regeln (wie der "p-q-Formel" bei quadratischen Gleichungen) zusammenfasst.

Zunächst ermittelt man nach dem am obigen Beispiel gezeigten Verfahren für einige spezielle Funktionen die Ableitungen und erhält zum Beispiel:

f(x)
f'(c)
Name von f
xn (n = 1, 2, 3, ...)
ncn-1
Potenzfunktion vom Grade n
1 / x
- 1 / c2
Kehrwertfunktion
WURZEL(x)
1 / (2*WURZEL(c))
Wurzelfunktion
sin(x)
cos(c)
Sinus(funktion)
ex
ec
Exponentialfunktion
konstant (z.B. = 60)
0
konstante Funktion
ln(x)
1 / c
natürlicher Logarithmus

Funktionen, deren Ableitungen man bereits kennt, werden mit Hilfe der Grundrechenarten oder durch Nacheinander-Ausführen (Verketten) zu neuen Funktionen zusammengesetzt. Bei diesen neuen Funktionen muss man nun nicht mehr mit Hilfe des Differenzenquotienten die Ableitung ermitteln, sondern verwendet Regeln, die die Auswirkungen von Addition, Multiplikation, Division und Verkettung auf die Ausgangsfunktionen erklären. Diese Regeln sind:

  1. Die Summenregel (SR)
    Man erhält die Ableitung einer Summe, indem man die Ableitungen der Summanden addiert.
    Formel: ( f + g )' (c) = f'(c) + g'(c) oder kürzer: (f + g)' = f' + g'.
    Bemerkung: Man bezeichnet diese Eigenschaft der Ableitung als Additivität.
  2. Die Faktorregel (FR)
    Ein konstanter Faktor bleibt beim Ableiten erhalten.
    Formel: (r f)'(c) = r f'(c) oder kürzer: (r f)' = r f'
    Bemerkung: Man bezeichnet diese Eigenschaft der Ableitung als Homogenität.
  3. Die Produktregel (PR)
    Man erhält die Ableitung eines Produkts, indem man die Ableitung des ersten Faktors mit dem zweiten Faktor multipliziert, den ersten Faktor mit der Ableitung des zweiten Faktors multipliziert und die beiden erhaltenen Produkte addiert.
    Formel: (f g)'(c) = f'(c) g(c) + f(c) g'(c) oder kürzer: (f g)' = f' g + f g' .
  4. Die Reziprokenregel (oder Kehrwertregel) (RR)
    Die Ableitung des Kehrwerts einer Funktion ist der Quotient aus der Gegenfunktion der Ableitung und dem Quadrat der Funktion.
    Formel: (1 / f)'(c) = -f'(c) / f2(c) oder kürzer: (1 / f)' = -f' / f2 .
  5. Die Quotientenregel
    Man erhält die Ableitung eines Quotienten, indem man das Produkt aus Zähler und Ableitung des Nenners vom Produkt aus Ableitung des Zählers und Nenner subtrahiert und die erhaltene Differenz durch das Quadrat des Nenners teilt.
    Formel: (f / g)'(c) = (f'(c) g(c) - f(c) g'(c) ) / g2(c); kürzer: (f / g)' = (f'g - fg') / g2.
  6. Die Kettenregel (KR)
    Um eine Funktion abzuleiten, die durch Verkettung von zwei Funktionen darstellbar ist, multipliziert man die Ableitung der äußeren Funktion mit der Ableitung der inneren Funktion.
    Formel: (f o g)'(c) = f'(g(c)) g'(c) oder kürzer: (f o g)' = (f' o g) g' .

Ohne eigene Erwähnung blieb die Differenzenregel ( (f - g)' = f' - g' ), da sich diese unmittelbar aus Summen- und Faktorregel ergibt: (f - g)' = (f +(-1)g)' = f' +((-1) g)' = f' + (-1) g' = f'-g' .

Die Ableitungsregeln sind nicht unabhängig voneinander. So ergibt sich zum Beispiel ohne Rückgriff auf Differenzenquotienten (RR) aus der Kettenregel und der Ableitung der Kehrwertfunktion, (QR) lässt sich aus (PR) und (RR) folgern, (FR) ergibt sich aus (PR), wenn man beachtet, dass konstante Funktionen die Ableitung null haben.

Wenn die Ableitungen für den weiteren Gang der Lösung einer Aufgabe wichtig sind, führen Rechenfehler oft nicht nur zu einer Folgerechnung mit wesentlich erschwerter Rechnung, oft ist die Aufgabe mit der fehlerhaften Ableitung gar nicht mehr lösbar. Bei mangelnder Sicherheit ist es daher notwendig, die Richtigkeit der erhaltenen Ableitung zu überprüfen. Hierbei hilft die Definition: Die Ableitung ist der Grenzwert der Sekantensteigung ... .
Da man die Steigung einer Sekante durch den betrachteten Punkt und einen zweiten - in der Nähe gewählten - Punkt leicht berechnen kann, lässt sich die Ableitung an einer Stelle c gut kontrollieren.

Will man z.B. die Richtigkeit der erhaltenen Ableitung f'(c) kontrollieren, berechnet man für einen betraglich kleinen Wert von h, z.B. h = 0,001, den Wert des Differenzenquotienten ( f(c+h) - f(c)) / h. Dieser Wert liegt nahe bei f'(c) und lässt daher in der Regel eine fehlerhaft berechnete Ableitung leicht erkennen.

Beispiel: Berechne für f(x) = 2x2 + 1/x die Ableitung.
Nach Summenregel, Faktorregel, Regel über die Ableitung der Potenzfunktion, Regel zur Ableitung der Kehrwertfunktion ergibt sich f'(x) = 4x - 1/x2.

Zur Kontrolle wird die Ableitung an der Stelle 2 mit dem Differenzenquotienten mit c=2 und h=0.001 verglichen:
f'(2) = 4 * 2 - 1 / 22 = 8 - 0,25 = 7,75.
(f(2,001) - f(2)) / 0,001 = 1000*( 2 * 2,0012 + 1 / 2,001 - 2*22 - 1 / 2) = 7,7524...
Die geringe Differenz der beiden berechneten Werte zeigt, dass die Ableitung vermutlich richtig berechnet wurde.

Zur Übung der Ableitungsregeln sollte also nicht nur Term für die Ableitungsfunktion ermittelt werden, sondern auch durch Probe an einer Stelle (z.B. c = 2) mit einem geeigneten Differenzenquotienten (z.B. mit h = 0.001) das Ergebnis kontrolliert werden. Der Wert des Differenzenquotienten (f(c+h)-f(c)) / h wird nachfolgend mit DQ(c, h) bezeichnet. Im obigen Beispiel wurde zum Vergleich mit f'(2) der Wert DQ(2, 0,001) berechnet.

Und hier ist der Link zu den 10 Übungen zum Ableiten mit Kontrolle des Ergebnisses (pdf-Datei).

Lö, 2004-02-16