Im Visier: Der Vektor - Fünfzehntes Gespräch über Vektoren

D: Nach unseren letzten Gesprächen habe ich begonnen, die Funktionen mit ganz anderen Augen zu sehen. Irgendwie ist es schon ungewöhnlich und auch spannend, anstatt der Punktmenge des Graphen, die ja oft noch nicht einmal zusammenhängend ist, in der Funktion ein kompaktes Objekt wie eine Zahl zu sehen.

A: Der Begriff "kompakt" ist eigentlich in der Mathematik schon mit einer topologischen Bedeutung belegt, aber ich verstehe, was du sagen willst. Vor allem das Rechnen mit Funktionen anstatt mit Funktionswerten mag ungewöhnlich erscheinen.

D: Und Gleichungen wie 0.f = o oder (-1).f = -f , die für Funktionen natürlich unmittelbar einsichtig sind, gelten bereits aufgrund der Tatsache, dass F ein Vektorraum ist.

A: Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir uns zwar überlegt, dass die Gleichung 0.f = o gilt; der Beweis zu (-1).f = -f ist aber wohl noch nicht geführt worden. Kannst du diese Lücke denn aus dem Stand füllen?

D: Ich denke schon, denn es hat mich damals so sehr geärgert, dass ich 0.f = o nicht beweisen konnte, dass ich mir das danach aufgeschrieben und immer wieder angesehen habe. Vermutlich beweist man (-1).f = -f doch ganz ähnlich.

A: Dann leg mal los.

D: Es ist zu zeigen, dass (-1).f den Gegenvektor von f liefert, also dass die Summe von (-1).f und f den Nullvektor ergibt.

A: Mathematisch hast du Recht, aber sprachlich darf ich dich korrigieren: Du willst zeigen, "dass die Summe der Nullvektor ist" oder dass "die Addition den Nullvektor ergibt". Die Summe ist nämlich bereits das Ergebnis der Addition und ergibt selber nichts weiteres mehr.

D: Manchmal kann ich so richtig nachempfinden, warum Lehrer bei so vielen anderen als Pedanten verhasst sind. Schickst du eigentlich auch alle Briefe, die du erhältst, mit Korrekturbemerkungen zu den Rechtschreib- und Grammatikfehlern und stilistischen Verbesserungsvorschlägen an die Absender zurück?

A: Natürlich nicht, aber Fehler in Grammatik und Sprachlogik stören doch genauso den Genuss der Sprache wie Misstöne oder Tempofehler ein Musikstück vermiesen.

D: Dann werde ich mich bemühen, den Beweis genussfähig zu gestalten. Unter Verwendung des Vektorraumxioms 1.f=f, eines der beiden Distributivgesetze im Vektorraum sowie von Rechengesetzen in R hat man:

(-1).f + f = (-1).f + 1.f = (-1 +1).f = 0.f

Und da 0.f - wie wir schon früher gezeigt haben - der Nullvektor ist, haben wir bewiesen, dass Multiplizieren mit -1 den Gegenvektor liefert.

A: Und du erinnerst dich sicher auch noch, wie wir die Existenz der Gegenvektoren zur Definition einer Subtraktion verwendet haben.

D: Nämlich als Addition der Gegenzahl; Subtrahieren von f bedeutet Addieren von -f. Hatten wir als Übungsbeispiel nicht auch bewiesen dass f - g der Gegenvektor zu g - f ist?

A: Wenn du ein so gutes Gedächtnis hast, brauchen wir hier gar nichts mehr zu wiederholen. Und diesmal will ich unserer Gesprächspause auch nicht mit einer speziellen Aufgabe füllen. Vielleicht gibt es ja beim Nachdenken und Rückblicken noch Ergänzungsbedarf zu unseren neueren Ergebnissen.

Ende des fünfzehnten Gesprächs über Vektoren.